Die Reise – eine Kurzgeschichte


Diese Kurzgeschichte entstand während der Schulzeit in der elften Klasse.

Mit gepackten Koffern stand er am Hafen. Er war den langen Weg von seinem kleinen verschlafenen Heimatdorf bis hierher angereist, um endlich die lang ersehnte Weltreise antreten zu können. Wie lange hatte er sich diesen Augenblick gewünscht: Endlich konnte er etwas von der Welt sehen. Der reisebegeisterte Lukas, ein Mann in den besten Jahren seines Lebens, liebte es nämlich, fremde Länder zu besuchen und etwas von fremden Kulturen kennenzulernen. Er lief die riesige Treppe hinauf und gelangte nun an Deck des Luxusschiffes. Lange musste er für die 5000 Euro sparen, die ihn dieses Abenteuer kosten würde. Oben angekommen sagte ihm ein Matrose, wo er seine Kabine finden würde. Er schaffte seine Koffer in den kleinen Raum, in dem gerade so viel Platz war, um ein Bett hineinzustellen und die Kleider auf eine – an der Wand befestigte – Stange zu hängen.

Nachdem seine Koffer leer waren und er die passende Urlaubskleidung angezogen hatte, lief er eilig an Deck, um auch ja nichts zu erpassen. Aber diesen Gedanken teilte er mit vielen Anderen, die schon eilig hin und her liefen, um den teuer bezahlten Urlaub auch genießen zu können. Lukas war ein Single. Eine Frau zu finden gestaltete sich für ihn sehr schwierig, da er überwiegend Frauen im fortgeschrittenen Lebensjahr bevorzugte. Diese gab es an Bord zwar reichlich, aber entweder waren sie bereits vergeben oder sie suchten nach einem reicheren Mann, mit dem sie einen erfüllten Lebensabend haben würden. Nachdem er endlich darüber hinweg war, fühlte er einen Ruck. Es sollte endlich losgehen. Die Motoren waren angeschaltet und der Anker wurde gelichtet. Die Reise konnte beginnen.
Da Lukas nun die nächsten Stunden nur Wasser sehen würde, beschloss er, sich zunächst an der Poolbar etwas zu erfrischen. So kam es, dass er bei einem eisgekühlten Martini-Orange den Entschluss fasste, endlich mit seinem Single-Dasein Schluss zu machen. Nachdem er das Glas genüsslich geleert hatte, lief er eilig in seine Kabine, um sich für den großen Eröffnungsball, welcher am Abend stattfinden sollte, in Schale zu schmeißen. Um dabei attraktiv zu wirken, nahm er alle Schmuckgegenstände, die er in seinem Gepäck fand, und behing sich damit. Selbst sein Rolex Imitat, welches er vor Jahren einmal gekauft hatte, fand er in einer Seitentasche, worüber er sich sehr freute. Nachdem er bereits aussah, als wäre er neureich, brachte er, obwohl er so etwas sonst ablehnt, sein Zimmer noch in einen fabelhaften Zustand, da er heute fest mit Damenbesuch rechnete. So konnte der Abend seinen Lauf nehmen. Im Prunksaal des Schiffes angekommen, wo schon viele eifrig beim Tanzen waren, ging er geradewegs auf die riesige Tanzfläche zu, wo er zeigte, was er drauf hat. Immer wieder fielen ihm Frauen auf, die verzweifelt einen Tanzpartner suchten, aber nachdem er schon Hunderte Körbe zu verzeichnen hatte, traute er sich auch nicht mehr.

Den ganzen Abend tanzte er allein, bis ihm die Füße wehtaten. Irgendwie hatte er auch genug. Er verließ unauffällig den Tanzsaal und schlich bedrückt zurück auf sein Zimmer. Dort warf er enttäuscht die Kleider von sich und wollte nur noch schlafen. Der Eröffnungsball hatte ihn müde gemacht und so dachte er noch: “Morgen wird alles besser”, und schlief sanft ein.

Beitragsbild: Giuseppe Bognanni